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Das Mutproblem der aktuellen deutschen Klimapolitik

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Das Klimakabinett hat das Klimaschutzprogramm 2030 als Strategie- und Maßnahmenpaket vorgelegt, mit der die Reduktionziele des Jahres 2030 erreicht werden sollen (Mirror). Langfristig soll die Strategie die Erreichung der Pariser Klimaschutzziele sicherstellen und jährliche Zahlungen aus dem Staatshaushalt zum Erwerb von Emissionszertifikaten für den sogenannten Non-ETS-Bereich in Höhe mehrerer Milliarden Euro vermeiden helfen. Es wird der Ansatz verfolgt, mit einem breiten Maßnahmenbündel aus Innovationen, Förderung, gesetzlichen Standards und Anforderungen sowie mit einer Bepreisung von Treibhausgasen die vorgegebenen Klimaschutzziele erreichen zu wollen. Das Ausformulieren konkreter Maßnahmen und Gesetze steht noch aus und wird Gegenstand der politischen Diskussion sein. Aktuell hat das Klimaschutzprogramm 2030 das Bundeskabinett passiert, Änderungswünsche wurden bereits angemeldet.

Grundsätzlich wird Klimaschutz im Verkehrssektor durch die Ablösung fossiler Kraftstoffe betrieben. Mit der Verbrennung von erdölbasiertem Benzin, Diesel, Kerosin und weiteren Mineralölprodukten ist die Emission von Treibhausgasen verbunden. Der fossile Energieträger Erdöl soll durch regenerativ erzeugten Strom und darauf basierenden Energieformen wie Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe abgelöst werden. Die Dekarbonisierung des Verkehrssektors ist somit eng mit der Umstellung auf eine regenerative Stromerzeugung verknüpft und kann nicht isoliert betrachtet werden. Aufgrund der Erzeugungspotenziale im Inland spielt die effiziente Verwendung des regenerativ erzeugten Stroms bei einem Einsatz im Verkehrssektor eine herausragende Rolle.

Klimaschutz im Verkehrssektor fußt laut diverser Studien und Konzepte auf zwei Säulen: der Senkung des Energiebedarfs und einer Umstellung der Restenergiemenge auf regenerativ erzeugten Strom. Es ist absehbar, dass der Verkehrssektor in den Jahren bis 2030 vergleichsweise niedrige Treibhausgas-Minderungseffekte aufweisen wird, da der Einsatz erneuerbarer Energien im Verkehr zunächst vergleichsweise ineffizient und ineffektiv wäre. In anderen Sektoren ist mit der gleichen regenerativen Strommenge eine weitaus größere Treibhausgasminderung möglich, sodass diese dort zunächst realisiert werden sollte. Später können bei einem geringerem Endenergieverbrauch des Verkehrs der Anteil erneuerbarer Energien in dessen Energiemix leichter erhöht und die Treibhausgasemissionen ab 2030 signifikant gemindert werden. Der Energiebedarf des Verkehrs kann durch Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und -verlagerung sowie Effizienzsteigerungen verringert werden. Dieses Thema ist ausführlich in diesem Artikel behandelt.

Meiner Meinung nach ist das Klimaschutzkonzept 2030 im Bereich Verkehr – neben dem generellen Ausbau der regenerativen Stromproduktion – vor allem hinsichtlich der folgenden Fragestellung zu bewerten: ist das Klimaschutzkonzept 2030 geeignet, den Energiebedarf des Verkehrs bis 2030 signifikant zu reduzieren?

Die Antwort lautet: leider nein. Und dies hat mehrere Gründe.

Preissignale: Die vorgesehene CO2-Bepreisung entfaltet aufgrund niedriger Preise kaum Lenkungswirkung

Die Bepreisung von CO2-Emissionen im Verkehrssektor hat neben direkten Emissionseffekten auch Auswirkungen auf den Energieeinsatz. Da jeder Liter Benzin und Diesel mit einer bestimmten Emissionsmenge verbunden ist (2,32 kg CO2 / Liter Benzin | 2,65 kg CO2 / Liter Diesel), sind die anfallenden CO2-Kosten direkt mit dem Verbrauch gekoppelt. Ein CO2-Preis animiert über seine Preissignalfunktion dazu, CO2-Emissionen durch eine Verbrauchsreduktion (effizientere Energieverwendung, geringere Fahrleistung, Nutzung von Alternativen, u.ä.) zu verringern. Eine CO2-Bepreisung hat folglich Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch und die im Verkehr eingesetzte Energiemenge. Um diesen Effekt zu erzielen, muss das Preissignal jedoch hoch genug sein.

Das Stand Oktober 2019 vorliegende Klimaschutzprogramm 2030 sieht die Einführung einer Emissionsbepreisung für den Verkehrssektor in Form eines Upstream-Emissionsbepreisungssystems1 vor. Da die Zertifikate nicht handelbar sind, ist es kein Emissionszertifikatehandel im eigentlichen Sinne. Auf Ebene des Vertriebs von Mineralölprodukten dürfte bei Entnahme aus dem Steuerlager in den steuerrechtlich freien Verkehr analog zur Energiebesteuerung (§8 EnergieStG) ein Emissionszertfikat nachzuweisen sein. Die Kosten werden an den Endverbraucher weitergegeben.

Die Bepreisung soll in den Jahren 2021 – 2025 mit Festpreisen erfolgen und wirkt somit ähnlich einer Steuer. Die Zertifikatspreise sollen sich – Stand Oktober 2019 – wie folgt entwickeln:

  • Im Jahr 2021 werden Zertifikate zu einem Festpreis von 10 Euro pro Tonne CO2 ausgegeben, dies bedeutet 2,32 ct. pro Liter Benzin und 2,65 ct. pro Liter Diesel.
  • Im Jahr 2022 werden Zertifikate zu einem Festpreis von 20 Euro pro Tonne CO2 ausgegeben, dies bedeutet 4,64 ct. pro Liter Benzin und 5,3 ct. pro Liter Diesel.
  • Im Jahr 2023 werden Zertifikate zu einem Festpreis von 25 Euro pro Tonne CO2 ausgegeben, dies bedeutet 5,8 ct. pro Liter Benzin und 6,62 ct. pro Liter Diesel.
  • Im Jahr 2024 werden Zertifikate zu einem Festpreis von 30 Euro pro Tonne CO2 ausgegeben, dies bedeutet 6,96 ct. pro Liter Benzin und 7,95 ct. pro Liter Diesel.
  • Im Jahr 2025 werden Zertifikate zu einem Festpreis von 35 Euro pro Tonne CO2 ausgegeben, dies bedeutet 8,12 ct. pro Liter Benzin und 9,28 ct. pro Liter Diesel.

Schafft es Deutschland 2021 – 2026 nicht, die im Rahmen der EU-Regelungen zugewiesenen Emissionsmenge einzuhalten, müssen aus anderen europäischen Mitgliedsstaaten Verschmutzungsrechte zugekauft werden. Diese werden den Unternehmen zum Festpreis zugeteilt. Die Differenz zwischen europäischem “Einkaufspreis” und dem Ausgabepreis dürfte dem Staatshaushalt angelastet werden (vgl. Klimaschutzprogramm 2030, S. 25). Bis 2026 kann das System mit einem festgelegten Höchstpreis “die Einhaltung des festgelegten Emissionsbudgets nicht sichern.” (a.a.O., S. 27)

Ab 2026 soll das Festpreissystem in ein mengenbasiertes Preissystem überführt werden. Hierfür wird ähnlich zum EU-Emissionshandel eine Maximalemissionsmenge (cap) festgesetzt. Für diese Emissionsmenge werden Emissionsberechtigungen ausgegeben. Die Auktionierung der Zertfikate soll 2026 in einem Preiskorridor mit einem Mindestpreis von 35 Euro pro Tonne CO2 und einem Höchstpreis von 60 Euro pro Tonne CO2 erfolgen. Ob es im Jahr 2027 ebenfalls einen Preiskorridor gibt und in welcher Höhe dieser liegen wird, soll 2025 festgelegt werden.

Mittelfristig soll ein europaweit übergreifender Zertifikatehandel für alle Sektoren eingeführt werden. Der Beginn über ein nationales Bepreisungssystem für die Sektoren Wärme und Verkehr scheint zunächst sinnvoll zu sein, da beide Sektoren nicht in einem internationalen Wettbewerb mit möglichen Wettbewerbsnachteilen stehen, die Einführung schneller möglich ist und die Maßnahmen zur Emissionsreduktion im Verkehrssektor überwiegend mit hohen Vermeidungskosten verbunden sind. So gehen Studien davon aus, dass es einen Preis von 200 bis zu 400 Euro pro Tonne CO2 bedarf, um ausreichende Lenkungswirkungen im Verkehrssektor bis 2030 und 2050 zu erzielen (Cambridge Econometrics 2014, S. 14; Gerbert et al. 2018, S. 194 f.). “Unter Zugrundelegung der derzeitigen Zertifikatepreisen würde der Verkehrssektor bei einer Einbindung in den Emissionshandel seine Minderungsverpflichtungen voraussichtlich in hohem Maße durch den Zukauf von Zertifikaten decken. Dieser Zukauf würde jedoch nicht zu zusätzlichen Emissionsminderungen in gleicher Höhe in anderen Sektoren führen, sondern stattdessen den derzeit im Emissionshandel bestehenden hohen Zertifikateüberschuss senken.”2 Um entsprechende Anreize im Verkehrssektor zu setzen, ist der Weg über ein nationales Preissystem sinnvoll.

Grundsätzlich ist eine CO2-Bepreisung im Sektor Verkehr zunächst positiv zu bewerten. Es ist ein Einstieg in eine Internalisierung der externen Effekte von Treibhausgasemissionen, wenngleich der Internalisierungseffekt aufgrund des niedrigen Preisniveaus schwach ausfällt und der Großteil der Externalitäten weiterhin der Allgemeinheit angelastet wird. Ein Mindest- und ein Höchstpreis kann in einem nationalen Emissionshandelssystem die Investitionsplanungen erleichtern und extreme Preisschwankungen aufgrund von Spekulation ausschließen (wobei es sich bei der vorgeschlagenen Archiektur um kein Handelssystem handelt). Grundsätzlich ist das vorgeschlagene Preisniveau jedoch zu niedrig, um eine effektive Lenkungswirkung entfalten zu können. Das Preissignal des Jahres 2021 (1,6 % Prozent bezogen auf den mittleren Benzinpreis 2018 bzw. 2,0 % auf den mittleren Dieselpreis 2018) ist viel zu schwach. Dies gilt insbesondere aufgrund der geringen Elastizitäten im Verkehrsbereich. Zudem wird die Kostenwirkung (Grenzkosten der Kfz-Nutzung) schon bald durch die regulativ vorgegebene Steigerung der Kraftstoffeffizienz der Fahrzeuge aufgezehrt werden. Die stärkeren Emissionsvorgaben der EU haben dazu geführt, dass der Flottenverbrauch neu zugelassener Pkw seit 2003 um etwa ein Viertel gesunken, was zu einem erheblichen Reboundeffekt geführt hat (Frondel und Vance 2018). Die angekündigten CO2-Preise entsprechen darüber hinaus weder den sozialen Kosten der Umweltschäden noch senden sie ein Knappheitssignal für den begrenzten “Deponieraum der Atmosphäre” (Edenhofer und Flachsland 2012).

Niedriges Ambitionsniveau des CO2-Preises im von der Bundesregierung vorgestellten Klimaschutzprogramm im Vergleich zu den Preisen, die im Gutachten des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change und des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung für den Sachverständigenrat bzw. im DIW Berlin-Gutachten für das Umweltministerium angesetzt wurden – Grafik: Wolf-Peter Schill (@WPSchill @ Twitter) #energy_graphCC BY

Hinzu kommt, dass kein Inflationsausgleich vorgesehen ist. Hierdurch wird das Preissignal der CO2-Bepreisung weiter reduziert. Der CO2-Preis schafft es gerade einmal, den inflationsbedingten Rückgang der Mineralölsteuer (Energiesteuer) zu kompensieren, die seit 2003 nicht mehr erhöht wurde. Zieht man zu erwartende Einkommenssteigerungen und die Energiebesteuerung als weitere Steuer mit Lenkungswirkung in die Rechnung mit ein, kann es sogar zu einer Nettoentlastung kommen. Die CO2-Bepreisung im Verkehr wäre somit vollends wirkungslos. Die Diskussion um die (temporäre) Erhöhung der Entfernungspauschale ist meiner Meinung nach müßig, da das Preissignal per se ausbleibt und die Überkompensation diese grundsätzliche Fehlentwicklung nur verstärkt.

Der CO2-Preis als Leitinstrument der Klimapolitik hat in der derzeitigen Höhe und ohne Inflationsausgleich keine Wirkung. Er ist vor allem nicht geeignet, einen Anreiz für energiesparendes Verhalten zu setzen. Ohne eine entsprechende Reduktion wird es schwierig, den Verkehrssektor neben allen anderen Sektoren mit regenerativ erzeugter Energie zu versorgen. Mittelfristig werden umfangreiche Energieimporte in Form von synthetischen Kraftstoffen oder anderen Energieformen notwendig, die jedoch vergleichsweise teuer sein werden und die Energieaufwendungen der Haushalte stark erhöhen. Hinzu kommt, dass ein niedriger CO2-Preis wenig Anreiz für Investitionen bietet. Diese werden in die Zukunft verschoben. In Folge wird die Verfehlung der Emissionsziele und eine Lockerung der Emissionsgrenzen wahrscheinlicher, weil ansonsten mit signifikanten Preissteigerungen in kurzer Zeit zu rechnen wäre, welche die Politik anscheinend vermeiden möchte. Der niedrige Einstiegspreis in die CO2-Bepreisung verschiebt die Probleme in die Zukunft und verstärkt sie darüber hinaus. Dies dürfte sich auch in jährlich wiederkehrenden hohen Belastungen für den Bundeshaushalt ab 2021 zeigen.

Versteht man den CO2-Preis als einen Gradmesser für die Ernsthaftigkeit der Klimapolitik3, sind keine ernsthaften Klimaschutzbemühungen im Verkehrsbereich zu erkennen. Ebenfalls ist zu beachten, dass die festgesetzten Zertifikatspreise politische Preise sind. Sie sind nicht das Ergebnis eines Marktgeschehens, welches die Zertifikatemenge (cap) möglichst effizient zuteilt und starke Anreize bietet, die individuellen Kosten für CO2-Emissionszertifikate zu senken. Der einer Marktlösung unterstellte Effizienzvorteil entfällt völlig. Stattdessen unterliegt die Preisgestaltung in ihrer jetzigen Form politischen Opportunitäten und könnte in einem wirtschaftlich angespannten Umfeld einer anderen Prioritätensetzung folgen.

Die Effekte einer CO2-bezogenen Reform der Kfz-Steuer und des CO2-Aufschlags auf die Lkw-Maut sind unkonkret und können daher in ihrer Wirkung nicht abgeschätzt werden. Ein Bonus-Malus-System im Rahmen der Fahrzeugzulassung fehlt. Ebenfalls soll die differenzierte Besteuerung von Benzin und Diesel nicht aufgehoben werden.

Infrastrukturinvestitionen und Förderprogramme

Laut Berechnungen des DIW Berlin kann eine CO2-Bepreisung allein nicht gewährleisten, dass die Klimaziele im Verkehr erreicht werden. Eine CO2-Bepreisung von 180 Euro je t CO2 führt gemäß DIW-Berechnungen zu Einsparungen im Verkehrssektor von minimal 8 Mio. t CO2 bis maximal 51 Mio. t CO2 im Jahr 2030, das heißt, die Lenkungswirkung ist auf mindestens 13 bis maximal 83 Prozent der Minderungslücke begrenzt.4 Die Wirkung der sehr niedrigen CO2-Zertifikatspreise ist aufgrund des geringen Preissniveaus nochmals geringer. Unabhängig davon sind zusätzliche flankierende Maßnahmen grundsätzlich notwendig, um Anreize für einen Wechsel von CO2-intensiven Technologien zu CO2-ärmeren Alternativen zu schaffen. Durch die Entwicklung leistungsfähiger und attraktiver Alternativangebote entsteht Akzeptanz in der Bevölkerung. Im Verkehrssektor kann ein Umstieg beispielsweise durch Investitionen und Förderprogramme unterstützt werden.

Nachholeffekte für grundlegende Infrastruktur

Der zweite Bereich des Klimaschutzkonzepts fokussiert sich daher folgerichtig auf den Infrastrukturbereich. Infrastruktureinrichtungen sind Voraussetzung für neue Handlungsoptionen und den verstärkten Einsatz regenerativ erzeugten Stroms im Verkehrsbereich. Zudem schaffen sie Werte und wirken im Gegensatz zu konsumptiven Subventionen langfristiger.

Konkrete Richtwerte werden nur für den Bereich des elektrifizierten Kfz-Verkehrs genannt. Der Großteil der angestrebten Maßnahmen in anderen Bereichen bleibt unkonkret und deckt die ohnehin notwendigen Mittelerfordernisse im Infrastrukturbereich ab.

Bis 2030 sollen in Deutschland insgesamt 1 Million Ladepunkte zur Verfügung stehen (eine Lädesäule hat in der Regel zwei und mehr Ladepunkte, Stand Juli 2019 gab es in Deutschland über 16.000 öffentlich zugängliche Ladestationen mit mehr als 45.500 Ladepunkten). Der Aufbau von öffentlichen Ladesäulen soll mit entsprechenden Programmen bis 2025 gefördert werden. Neben der Förderung werden auch ordnungsrechtliche Maßnahmen erwogen. So soll es Verteilnetzbetreibern ermöglicht werden, im Falle von regionalem Marktversagen, zusätzliche Ladeinfrastruktur zu errichten. Ebenfalls sollen an allen Tankstellen Deutschlands Ladepunkte angeboten werden, wobei die Errichtung von Schnellladesäulen als Dekarbonisierungsmaßnahme der Mineralölwirtschaft behandelt werden können soll (positiv für die Mineralölwirtschaft).

Die Errichtung von Ladestationen auf Kundenparkplätzen mit zeitlich begrenzter Zugänglichkeit sowie gemeinschaftlich genutzte private und gewerbliche Ladeinfrastruktur (etwa in Mehrfamilienhäusern und auf Mitarbeiterparkplätzen) soll ebenfalls gefördert werden. Hinzu kommt eine Förderung für private Stationen über einen Handwerkerbonus. Im Wohneigentumsgesetz (WEG) und im Mietrecht sollen die Vorschriften für die Errichtung von Ladeinfrastruktur vereinfacht werden, insbesondere wird dabei das Einstimmigkeitsprinzip durch das Mehrheitsprinzip ersetzt. Vermieter werden verpflichtet, die Installation von Ladeinfrastruktur zu dulden. Die Änderungen im Wohneigentumsgesetz (WEG) dürften vermutlich die größte Wirkung zeigen.

Im Nutzfahrzeugbereich sollen Konzepte für Lademöglichkeiten für Batterie-LKW, Oberleitungen für LKW sowie Wasserstoff-Tankstellen formuliert werden.

Der Aufbau öffentlicher Ladeinfrastruktur auf den unterschiedlichen Ebenen (Bund/Länder/Kommunen) soll über eine “Nationale Leitstelle” Elektromobilität koordiniert werden. Die weiteren Infrastrukturmaßnahmen im Bereich Elektromobilität bleiben unkonkret und unbestimmt. Insgesamt sind die konkret benannten Maßnahmen geeignet, notwendige Ladeinfrastruktur aufzubauen und mithilfe von Steuergeld Verbrauchern und der Automobilindustrie die Verwendung bzw. den Absatz von batterieelektrischen Fahrzeugen zu ermöglichen.

Die Erhöhung der Bundesmittel nach Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz auf zwei Milliarden Euro pro Jahr ab dem Jahr 2025 ist zunächst positiv zu bewerten. Vom Bundesförderprogramm erfasst sind nach §§ 6 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 GVFG der Bau oder Ausbau von Verkehrswegen der a) Straßenbahnen, Hoch- und Untergrundbahnen sowie Bahnen besonderer Bauart und b) nichtbundeseigenen Eisenbahnen, soweit sie dem öffentlichen Personennahverkehr dienen und auf besonderem Bahnkörper geführt werden. Die Vorhaben müssen in Verdichtungsräumen oder den zugehörigen Randgebieten liegen und zuwendungsfähige Kosten von 50 Millionen Euro überschreiten.

Das Bundes-GVFG unterstützt die Länder bzw. Kommunen beim Ausbau von schienengebundenem Nahverkehr, der besonders energieeffizient operiert. Zudem ist die Einsatz regenerativ erzeugten Stroms im Schienenverkehr relativ einfach. Da ein Großteil der Fahrgastbewegungen im S-Bahn- und Regionalverkehr in Metropolräumen stattfindet, profitieren eine Vielzahl von Menschen von diesen Investitionen. Die Planungen sollten rasch begonnen und Baurecht bis 2025 hergestellt werden.

Investitionen in den Schienenpersonenverkehr und Schienengüterverkehr bleiben vergleichsweise vage. Zum einen wird die Dritte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV III) zur Instandhaltung der Eisenbahn-Infrastruktur der DB Netz AG zwischen 2020 und 2030 angeführt. Diese betrifft jedoch nur den Erhalt und die Sanierung des Bestandsnetzes. Von 2020 bis 2024 sollen die Bundesmittel von bislang 3,5 auf 4,65 Milliarden Euro erhöht werden. In den Jahren 2025 bis 2029 sollen 5,6 Milliarden Euro aufgewendet werden. Über die gesamte Laufzeit sind Investitionen von 83 Milliarden Euro vorgesehen, davon 52 Milliarden Euro Bundes- und 31 Milliarden Euro DB-Eigenmittel. Die Finanzmittel dienen primär der Qualitätssicherung und Erneuerung des Schienennetzes und sind unabhängig von verstärkten Klimaschutzbedingungen des Bundes zu leisten.

Die angekündigte Verdopplung der Personenbeförderungen bis 2030 und die Erhöhung des Modal Splits von 18 auf 23 % benötigen jedoch erhebliche Kapazitätserweiterungen im Schienennetz. Dies gilt insbesondere, wenn ein akzeptables Qualitätsniveau im Schienenverkehr erreicht werden soll.

Kernelement ist der ab 2030 angekündigte Deutschlandtakt im Personenverkehr, der jedoch nur umsetzbar ist, wenn die Investitionen des Bundesverkehrswegeplans 2030 bis 2030 auch umgesetzt werden. In den vergangenen 30 Jahren wurden zahlreiche wichtige Schienenkorridore trotz anderslautender internationaler Verpflichtungen nicht rechtzeitig fertiggestellt (Streckenausbau Karlsruhe – Basel, Betuweroute, u.a.). Die aktuellen Diskussionen um den Zulauf zum Brennertunnel (Rosenheim – Kufstein) lassen keine zeitnahe Beschleunigung von Schieneninfrastrukturprojekten erwarten – insbesondere wenn sie dem Schienengüterverkehr dienen. Das jahrzehntelang kommunizierte Ziel einer Verlagerung von der Straße auf die Schiene wurde nicht einmal annähernd erreicht, konkrete Maßnahmen fehlen im Eckpunktepapier.

Die Finanzierung von Elektrifizierungsprojekten verläuft schleppend, die avisierten Kapazitätsgewinne durch die Einführung von ETCS dürften in den stark belasteten Korridoren nur bedingt zu realisieren sein (Kapazitätszuwächse durch digitale Leit- und Sicherungstechnik werden meistens nur als Durchschnittswert für das Gesamtnetz angegeben und primär abseits der stark ausgelasteten Korridore realisiert). Ohne bauliche Erweiterungsmaßnahmen dürften die Kapazitätsbedarfe nicht zu decken sein.

Auch die Steigerung des Marktanteils der Binnenschifffahrt von 8 auf 12 %, wie er im Masterplan Binnenschifffahrt vorgesehen ist, dürfte ohne Infrastrukturinvestitionen und einen Ausbau von Engstellen des Mittelrheins und des Niederrhein nicht zu erreichen sein. Obwohl die zu deckenden Infrastrukturbedarfe vergleichsweise gering sind, sind weder die Investitionen in den Schleusenbau bzw. deren Erneuerung noch die Anhebung von Brücken, um Container zweilagig fahren zu können, ausreichend. Die Aussage “Eine Erhöhung der Anteile der Binnenschifffahrt am Güterverkehr wird durch die Umsetzung von Maßnahmen zum Klimaschutz aus dem Masterplan Binnenschifffahrt erreicht” (S. 11, Nr. 23) ist mehr als zweifelhaft. Die Verwendung von Landstrom dient primär der Luftreinhaltung und ist nur begrenzt als Klimaschutzmaßnahme zu bewerten.

Länder und Kommunen soll erstmals finanzielle Unterstützung des Bundes “zur Realisierung von Radverkehrsnetzen (die Anordnung und der Ausbau von Fahrradstraßen, die Umnutzung von Fahrstreifen in geschützte Radwege, Baumaßnahmen zur Beschleunigung des Radverkehrs, verkehrliche Maßnahmen wie die grüne Welle in geeigneten Fällen, intuitive Wegeführungsmaßnahmen durch Beschilderung und Markierungen, der verkehrssichere Umbau insbesondere von Knotenpunkten etc.), für sichere und moderne Abstellanlangen (sic!) und Fahrradparkhäuser, für den Radwegebau entlang von Landesstraßen sowie für den Ausbau der erforderlichen Infrastruktur und das Schaffen günstiger Rahmenbedingungen für Lastenräder zur Verfügung gestellt werden.”

Es ist an dieser Stelle jedoch die Frage zu stellen, welche Klimaschutzwirkung eine Verlagerung von innerstädtischen Wegen hin zum Rad-, aber auch Fußverkehr und öffentlichen Verkehr haben kann. Die Wege sind vergleichsweise kurz und haben nur einen geringen Einfluss auf die gesamten Verkehrsaufwände. Selbstverständlich sind Investitionen und Verbesserungen für den Rad- und Fußverkehr sowie den ÖPNV sinnvoll und wichtig, sie unterstützen aber vorrangig das Ziel einer lebenswerten, leisen, sicheren und attraktiven Stadt. Erfolgreiche Angebotsverbesserungen für den Umweltverbund dürften die CO2-Emissionen des Verkehrs nur begrenzt sinken lassen. Die Europäische Union, der Bund und die Länder sind vielmehr in der Pflicht, die längeren (inter)nationalen und regionalen Verkehre zu verlagern, effizienter und ökologischer zu gestalten und die vorhandenen Klimaschutzpotenziale zu heben.

Bahnverkehr: weiterhin strategielos, aber DB-Kapitalproblem vermeintlich gelöst

Ein weiterer Bestandteil des Klimapakets 2030 ist eine Kapitalerhöhung der Deutschen Bahn AG in Höhe von elf Milliarden Euro. Diese soll von ihrer Alleineigentümerin Bund in den Jahren 2020 bis 2030 jährlich eine Milliarde Euro zusätzliches Eigenkapital erhalten. Der integrierte Konzern hatte zum 30. Juni den vom Haushaltsausschuss des Bundestages festgelegten Schuldengrenzwert von 20 Milliarden Euro überschritten, der Bundesrechnungshof warnte im Sonderbericht “Strukturelle Weiterentwicklung und Ausrichtung der Deutschen Bahn AG am Bundesinteresse” vom 17. Januar 2019, dass der Zufluss liquider Mittel aus dem operativen Geschäft der DB AG nicht ausreiche, um die aktuellen und in den nächsten Jahren betriebsnotwendigen Investitionen zu finanzieren. Im September warnte er vor einer Finanzierungslücke in Höhe von drei Milliarden Euro zum Jahresende. Finanzielle Herausforderungen wie bspw. die Beschaffung neuer Züge (so wirken die Abschreibungen auf die neue ICE 4-Flotte in der Bilanz ergebnismindernd), die geplanten Investitionen in digitale Leit- und Sicherungstechnik oder das Projekt Stuttgart 21 seien “nicht durch operativ erwirtschaftete Cashflows auf[zu]fangen”. Die Digitalisierung im Bereich Schienenverkehr soll bis 2030 alleine Investitionen von 15 Milliarden Euro erfordern, die Kosten für Stuttgart 21 hängen vom weiteren Baufortschritt ab.

Die angekündigte Kapitelerhöhungen durch die Alleineigentümerin versorgt die Deutsche Bahn AG mit frischem Eigenkapital und senkt die Refinanzierungskosten an den Kapitalmärkten. Im Nachgang der Ankündigung verbesserte sich das Kreditranking von S&P von AA- auf AA. Im Rahmen des Klimapakets wird somit der Eskalation ein strukturell-politischen Problem vorgebeugt. Eine ungelöste finanzielle Schieflage der Deutschen Bahn AG hätte womöglich in der breiten Bevölkerung die Frage nach dem Erfolg der Bahnreform und der Bahnpolitik der Bundesregierung der vergangenen Jahre aufgeworfen.

Mittel- und langfristig stellen sich weiterhin Fragen nach den schienenverkehrspolitischen Zielen und Strategien. Die betrifft u.a. die Frage nach der Ausgestaltung bzw. Bestellung von Schienenpersonenfernverkehrsleistungen zur Erreichbarkeitssicherung peripher liegender Regionen, die Wettbewerbssituation bzw. dem Marktzugang nach Umsetzung des Deutschlandtakts, die Herstellung wirtschaftlicher Tragfähigkeit des Einzelwagengüterverkehrs, der Entwicklung der Trassenpreise sowie der Ausgestaltung des Trassenpreissystems, die Sicherstellung einer hohen Infrastrukturqualität bei gleichzeitiger Bereitstellung notwendiger Kapazitäten unter Berücksichtigung der übergeordneten verkehrspolitischen Ziele, die massive Steigerung der Betriebsqualität, absehbare Personalengpässe insb. vor dem Hintergrund der angestrebten Zuwächse, die Geschwindigkeit bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten, usw.

Eine konsistente und konsequente, langfristig angelegte Schienenverkehrspolitik fehlt aktuell in Deutschland. Die heute bereits existierenden und in Zukunft drängender werdenden strukturellen Herausforderungen sind nur teilweise mit zusätzlichen finanziellen Mitteln lösbar.

Die Mittel der Kapitalerhöhung müssen zudem nicht zwingend für Maßnahmen verausgabt werden, die unmittelbar dem Klimaschutz dienen. Regierung und Parlament können über die Mittelverwendung nicht unmittelbar entscheiden, dies ist dem Konzern alleine überlassen. Aus politischer Sicht ist es verständlich, dass das Vehikel Klimaschutz vor dem Hintergrund der finanziellen Lage der Deutschen Bahn AG zur besseren Finanzausstattung derselben genutzt wird. Die transparentere Mittelverwendung hätte über direkte Sonderinvestitionen in das Schienennetz und Förderprogramme für Rollmaterial, etc. erfolgen müssen.

Förderprogramme und Steuervergünstigungen

Neben den Finanzmitteln für Investitionen sollen auch Subventionen (Förderprogramme und Steuervergünstigungen, u.ä.) Anreize für einen Wechsel von CO2-intensiven Technologien zu CO2-ärmeren Alternativen bieten. Die Fördermaßnahmen verändern die relativen Preise dieser beiden Varianten, übertragen zum Teil die hohen Vermeidungskosten im Verkehrssektor von privat in die öffentliche Hand und schaffen hierdurch Akzeptanz. Hierbei ist jedoch die Frage zu stellen, ob sich Mitnahmeeffekte entfalten und wer jeweils profitiert. Zudem ist jede Einzelförderung dahingehend zu überprüfen, wie hoch die jeweils maximal mögliche Minderungswirkung ist und welche Minderungseffekte real erzielt werden. Durch das Entstehen von Sekundär- oder Tertiäreffekten kann die Wirkung einer Fördermaßnahme verringert bzw. gänzlich aufgehoben oder gar überkompensiert werden (Beispiel: Reboundeffekt).

Vom Grundgedanken her ist es richtig, Forschung und Entwicklung sowie im begrenzten Maße auch marktreife Produkte und Dienstleistungen finanziell zu fördern. Im Forschung- und Entwicklungsbereich wird die technische wie gesellschaftliche Grundlage für eine nachhaltige Zukunft gelegt. Die Förderung sollte sich jedoch nicht alleine auf technische Lösungen fokussieren, sondern auch die Implementierung sowie den gesellschaftlichen, ökonomischen, sozialen und juristischen Kontext beleuchten. Auch wären Effizienz- und Suffizienzsubventionen denkbar.

Förderprogramme für absatzfähige Produkte wie bspw. eine Kaufprämie für Elektrofahrzeuge oder steuerliche Vorteile (~70 Milliarden Euro Steuererleichterungen für Elektromobilität bis 2030) beeinflussen die relativen Preise und Ge­winnerwartungen. Durch die finanzielle Unterstützung sollen die Kosten sinken und die Nachfrage steigen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Marktnachfrage und Produktionsentscheidungen gleichzeitig durch eine Vielzahl umwelt- bzw- klimaschädlicher Subventionen beeinflusst werden. Als solche sind jede Art von Verbilli­gungen der Wirtschaftsaktivitäten zu verstehen, die dazu führen, dass die Nutzerpreise geringer als die sozialen (gesell­schaftlichen) Kosten sind. Konsumenten und Produzenten tragen einen Teil der Kosten nicht selber, sondern bürden diese der Gesellschaft auf. Dies läuft dem Verursacherprinzip zuwider und ist ungerecht. Hinzu kommt, dass umweltschädliche Produkte, Produktions- und Verhaltensweisen günstiger werden. Dadurch wird verstärkt zu Lasten der Umwelt produziert und konsumiert. Die gleichzeitige Doppelförderung durch klimaschonende und klimaschädliche Subventionen ist ineffektiv, ineffizient und belastetet den Staatshaushalt unnötigerweise.

Im Verkehr trugen im Jahr 2012 Subventionen in Höhe von 28,6 Milliarden Euro zur Belastung der Umwelt bei. Mit knapp 12 Mrd. Euro entfällt ein großer Teil dieser Subventionen auf den Flugverkehr, der Straßenverkehr folgt mit 10,5 Milliarden Euro (Die Entfernungspauschale ist nicht voll dem Straßenverkehr zuzuschlagen und bleibt daher außen vor). Die umweltschädlichen Subventionen gliedern sich wie folgt auf:5

  • Energiesteuervergünstigung für Dieselkraftstoff: ~7,35 Milliarden Euro [2012]
  • Entfernungspauschale: ~5,1 Mrd. Euro [2012]
  • Pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen: mind. 3,1 Milliarden Euro [2012]
  • Energiesteuerbefreiung des Kerosins: ~7,0 Milliarden Euro [2012]
  • Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge: ~4,7 Milliarden Euro [2012]
  • Energiesteuerbefreiung der Binnenschifffahrt: 170 Millionen Euro [2012]
  • Energiesteuerbegünstigung von Arbeitsmaschinen und Fahrzeugen, die ausschließlich dem Güterumschlag in Seehäfen dienen: 25 Millionen Euro [2012]
  • Biokraftstoffe (erster Generation): ~1,0 Milliarden Euro [2012]

Da ein Abschmelzen bzw. Streichen dieser umweltschädlichen Subventionen durch die Bundesregierung nicht beschlossen wurde, kommt es zu einer verstärkten Doppelförderung von klimaschonenden und klimaschädlichen Produktions- und Konsumweisen. Diese Inkonsistenz hat volkswirtschaftliche Folgen sowie negative Wirkungen auf den Staatshaushalt. Konsequenterweise hätte ein Prinzipwechsel erfolgen müssen: Es wird nicht subventioniert, wenn man nicht verschmutzt, sondern bestraft, wenn man verschmutzt. Hierzu war die große Koalition jedoch nicht in der Lage.

Monitoring und Nachsteuerung – Elemente aus dem Klimaschutzgesetz

Das Klimaschutzprogramm 2030 wird rechtlich verbindlich durch das Bundes-Klimaschutzgesetz (Gesetzesentwurf) gerahmt. Wichtiges Element ist ein Monitoring, mit dem die Erreichung der jährlich definierten Minderungsziele in den einzelnen Sektoren gemessen und kontrolliert werden soll. Die sektorspezifischen Jahresemissionsmengen sollen von einem in den anderen Sektor übertragbar sein. Hiervon profitiert insb. der Verkehrssektor, welcher in den ersten Jahren nur mit hohen Vermeidungskosten und somit ineffizient seine Sektorziele hätte erfüllen können. Aus diesem Grund wird in vielen Klimaschutzkonzepten für den Verkehrssektor zunächst eine Minderung des Energiebedarfs und eine anschließende Dekarbonisierung durch den Umstieg auf regenerativ erzeugten Strom vorgesehen. Die Übertragbarkeit von Emissionsmengen zwischen den einzelnen Sektoren erhöht die Gesamtemissionsmenge nicht, jedoch ist darauf zu achten, dass die Vorbereitungen und Voraussetzungen für eine spätere und umfangreichere Emissionsreduktion im jeweiligen Sektor umgesetzt werden.

Die Fortschritte werden durch einen externen Expertenkreis begleitet. Erfüllt ein Sektor seine gesetzlich vorgesehen Ziele nicht, legt der / die zuständige RessortministerIn dem zukünftig entfristeten Klimakabinett innerhalb von drei Monaten nach Bestätigung der Emissionsdaten durch die Expertenkommission ein Sofortprogramm zur Nachsteuerung vor.

Das Klimakabinett beschließt zudem, wie das Klimaschutzprogramm 2030 gemeinsam so angepasst wird, dass die zugrundeliegenden Ziele erreicht werden. In diesem Zusammenhang überprüft das Klimakabinett auch, ob Anpassungen bei den jährlichen Sektorbudgets vorgenommen werden sollen, die von der Bundesregierung beschlossen werden.

Emissionsmengen der einzelnen Sektoren bis 2030 Klimaschutzgesetz
Jahresemissionsmengen der Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft und Sonstiges für die Jahre 2021 – 2030 – Tabelle: Gesetzesentwurf für ein Klimaschutzgesetz des Bundes, Anlage 2

Neben der Einführung einer Architektur zur Bepreisung von CO2-Emissionen ist insbesondere das Monitoring mit den vorgesehenen Sofortmaßnahmen von großer Bedeutung. Da das vorgesehene Preisniveau zu niedrig ist und die realen Minderungspotenziale der einzelnen Maßnahmen durch die Bundesregierung bislang nicht vorgelegt wurden (dies soll durch zwei Gutachten geschehen), bietet dieser Kontrollmechanismus eine Rückfallebene. Das aus politischen Gründen schwach ausgefallene Klimaschutzpaket dürfte nach kurzer Zeit bereits verschärft werden. Es steht zwar zu befürchten, dass von politischer Seite zunächst mit weiteren Förder- und Investitionsmaßnahmen und nicht mit preislichen oder ordnungsrechtlichen Maßnahmen reagiert wird, dieses Vorgehen dürfte sich jedoch nach einigen Wiederholungen erschöpfen.

Fazit

Die Entwürfe des Klimaschutzprogramms 2030 und des Bundes-Klimaschutzgesetzes sind ein Anfang, um Verbindlichkeit für die Klimschutzanstrengungen des Bundes zu schaffen. Des Weiteren wurde die Architektur für eine Bepreisung von CO2-Emissionen entworfen. Dies ist insbesondere im Verkehrsbereich von hoher Bedeutung, wenngleich die Lenkungswirkung aufgrund des sehr geringen Preisniveaus ausbleiben wird.

Generell ist festzuhalten, dass die Einigung auf politischer Ebene bei Weitem nicht ausreichend ist, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Die hierzulande notwendigen tiefgreifenden Veränderungen wurde nicht angegangen, Handlungsmaxime war “wie tun wir niemandem weh” statt “wie stellen wir die Erreichung der Ziele sicher”. Die Notwendigkeiten sind jedoch nicht verschwunden oder weniger geworden, vielmehr kumulieren sie und fallen in den kommenden Jahren umso umfangreicher aus. Die Frage lautet nur, auf welches politische Konto eine Verschärfung von Zielen und die Durchführung von Umsetzungsmaßnahmen gebucht wird.

Die Themenbereiche Produktion und Import erneuerbarer Energien (für den Verkehrsbereich), der Umbau der Energiebesteuerung und die internationale Koordination wurden weitestgehend ausgespart bzw. nicht zufriedenstellend behandelt. Die Frage nach dem richtigen Verhältnis zwischen Bepreisung und Anreizen sowie Investitionen stellt sich weiterhin. Die Doppelförderung von klimaschädlichen und klimaschonenden Technologien ist politisch einfacher, jedoch teuer, ineffektiv und ineffizient. Hier hätte mehr Mut zumindest einen Impuls für eine Diskussion setzen können, wenn er nicht für eine politische Austarierung ausreicht.

Das Klimaschutzprogramm 2030 wird als belastbarer und absehbarer Pfad dienen können. Unsicherheit und Diskussionen werden in den kommenden Jahren anhalten. Versteht man die jetzige Einigung als Gradmesser für die politische Entschlossenheit für die Umsetzung einer wirksamen Klimaschutzpolitik, macht sich Ernüchterung breit. Es bleibt zu hoffen, dass das Versprechen, später nachzulegen, nicht ebenfalls unerfüllt bleibt.

Hinweise und Quellen

  1. Die Definition als Upstream-Emissionshandel ist etwas weiter gefasst. Die Verarbeitungs- und Transportstufen von Energieträgern, also z.B. die Raffinerien oder Pipelinesysteme, werden häufig auch als midstream bezeichnet. Da die exakte Ausgestaltung des Emissionsbepreisungssystems jedoch noch unklar ist, wird aus Vereinfachungsgründen die upstream-Definition aus Produzenten und Importeuren von Energieträgern von mir um den Transport und Vertrieb erweitert.
  2. Bach, S.; Isaak, N.; Kemfert, C.; Kunert, U.; Schill, W-P.; Schmalz, S.; Wägner, N. und Zaklan, A. 2019: CO2-Bepreisung im Wärme- und Verkehrssektor: Diskussion von Wirkungen und alternativen Entlastungsoptionen. Endbericht des gleichnamigen Forschungsvorhabens im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Berlin: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, S. 110
  3. Edenhofer, O.; Flachsland, C.; Kalkuhl, M.; Knopf, B. und Pahle, M. 2019: Optionen für eine CO2-Preisreform. MCC-PIK-Expertise für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Berlin, Potsdam: Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) gGmbH; Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung e.V., S. 94
  4. vgl. Bach, S.; Isaak, N.; Kemfert, C.; Kunert, U.; Schill, W-P.; Schmalz, S.; Wägner, N. und Zaklan, A. 2019: CO2-Bepreisung im Wärme- und Verkehrssektor: Diskussion von Wirkungen und alternativen Entlastungsoptionen. Endbericht des gleichnamigen Forschungsvorhabens im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Berlin: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, S. 33
  5. Burger, A. und Köder, L. 2016: Umweltschädliche Subventionen in Deutschland. Aktualisierte Ausgabe 2016. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt.

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